DEUTSCHLAND-TRAIL
September 10, 2019
Ein neues Format von Black Diamond
Diesen Herbst stellt Black Diamond eine neue Filmreihe online zur Verfügung, speziell für den Austausch von Geschichten über die Seele unseres Sports. Zum Auftakt zeigen wir drei Episoden über das Skifahren im Backcountry. BDTV zeigt aber nicht nur Bilder von perfekten Powderturns, sondern auch Einblicke in das Leben von Skibergsteigern, Lawinenforschern und Helden des Alltags, für die das Skifahren nicht nur eine Leidenschaft ist, sondern ein Lebensstil.
Forging a Balance
DIE SYLARNA TRAVERSE ist eines der symbolträchtigsten Ziele von Bergsteigern in Schweden, ein messerscharfer Grat aus Fels und Schnee, der die Grenze zwischen Schweden und Norwegen markiert. Die im Sommer häufiger begangene Route nimmt im Winter einen eher alpinen Charakter an – Nebelfelder ziehen über den Grat hinweg und überall finden sich Raueiskrusten, die von den Stürmen über der Norwegischen See hereingeblasen werden.
Aber heute wird Henrik Westling auf seinem Weg auf den Rücken des Templet, dem ersten Hindernis der Traverse, von freundlichem Wetter begleitet. Henrik, ein ehemaliger Skiprofi, steht sicher auf den Frontzacken und klettert geübt und mit Selbstvertrauen. Mit 42 hat er den schlanken, kompakten Körperbau eines Läufers und seine 30-jährige Erfahrung in diesen Bergen äussert sich in seinem metronomischen Schritt. Zwei Tage zuvor waren er und Mattias Skantz die ersten, die alle Gipfel der Provinzen Jämtland und Härjedalen bestiegen und mit Ski abgefahren sind. 178 Gipfel insgesamt, und wenige bei so schönem Wetter wie heute.
Vom Grat der Sylarna Traverse aus sieht man nur das weite, leer und unberührte Land der umgebenden Natur. Diese Aussicht unterstreicht, was Henrik und Mattias geleistet haben. Diese Gegend in der Mitte von Schweden erinnert ein wenig an Alaska – was wie ein Katzensprung aussieht, entpuppt sich oft als stundenlanger, harter Marsch. Ohne Bäume als Bezugspunkt oder Zugangsstrassen kann man sich nur schwer vorstellen, nicht nur die vielen Gipfel in Sichtweite sondern auch die anderen hinter dem Horizont zu besteigen.
A Message from the Backcountry
DREW HARDESTY GREIFT NACH SEINEN SKI hinten auf dem Pickup. Sein Gesicht leuchtet im Anbruch der Morgendämmerung und aus dieser Perspektive und mit seinem bärtigen Anblick strahlt er Weisheit aus. Er ist schnell und effizient. Seine Bewegungen verraten, dass er diesen Ablauf verinnerlicht hat. Ski, Stöcke, Rucksack. Ein kurzer Check. Drew sieht sich auf dem Parkplatz um, der sich an diesem frühen Morgen langsam mit Autos füllt, und geht zum Ausgangspunkt, wo er in seine Bindungen steigt. Klick. Klick.
Das sanfte, rhythmische schschschsch seiner Ski wird gelegentlich unterbrochen, wenn Drew stehen bleibt, um den Schnee zu untersuchen. Mit seiner wohlklingenden Stimme kommentiert er leise, was er macht, und seine leisen Töne unterstreichen die Morgenstimmung. Mit einer Geste in Richtung Berge überlegt er, welche Bedingungen er wohl weiter oben vorfinden wird. Weiter geht’s. Wenn man Drew beim Aufstieg beobachtet, könnte man meinen, er sei in der Ebene unterwegs, so zügig und präzise sind seine Schritte. Oben auf dem Toledo Bowl angekommen, noch bevor die Sonne vollständig aufgegangen ist, zeigt er hinüber zum Mount Superior. Eine Heli-Gruppe ist dort gelandet und ein einzelner Skifahrer zieht seine Schwünge durch unberührtes Gelände.
Trotz der morgendlichen Ruhe ist Drew nicht allein in den Bergen. Niemand ist das, und die Präsenz der Skifahrer unterstreicht diese Realität mit Nachdruck. Drew weiss, vielleicht besser als sonst jemand, dass wir alle ein gemeinsames Risiko im Backcountry eingehen, bewusst oder unbewusst. Während der Skifahrer drüben auf dem Superior weiterfährt, kann Drew nicht wissen, ob er sich während der Saison über die Schneebeschaffenheit informiert hat, ob er weiss, dass über ihm oder unter ihm noch andere Skifahrer unterwegs sind, oder ob er überhaupt sein LVS-Gerät eingeschaltet hat.
Während Drew dem Skifahrer bei der Abfahrt zusieht, verziehen sich die tiefen Lachfalten rund um seine blauen Augen zu einem Lächeln, dem er nachgibt, denn tief in seinem Herzen liebt er die Berge und das Skifahren. Es ist die Liebe zu diesen Bergen, die Drew dazu gebracht haben, einen Verhaltenskodex für Menschen im Backcountry zu entwickeln und diesen zu verfechten. Da die Zahl der Menschen im Backcountry jedes Jahr rapide zunimmt, steigt auch das Risiko. Und Drew weiss, dass wir am Rande eines Abgrunds stehen. In seinen Augen ist es für die Zukunft des Backcountry unerlässlich, klare Regeln festzulegen. Und somit hängt nicht nur sein Lebensunterhalt, sondern auch sein Leben davon ab.